Ich möchte unter diesem Titel über die Zeit meiner Kindheit berichten, d.h. die Jahre von 1941 bis 1955, da ich die Hauptschule in Coburg verließ und nach St.Wendel übersiedelte. Ich wurde geboren in Olbersdorf im Kreis Jägerndorf (Altvatergebirge). Wir gehörten zu den Schlesiern, den Österreich-Schlesiern. Das war der Teil von Schlesien, der nach dem Siebenjährigen Krieg zwischen Preußen und Österreich bei der Donaumonarchie verblieb. Nach dem ersten Weltkrieg war das Sudetenland und dieser Teil Österreichs ein Teil  der neugegründeten Chechoslowakischen Republik geworden.

 Seit 1939 aber gehörten wir wieder zum „Großdeutschen Reich“.Meine Mutter brachte mich 1941 im Krankenhaus von Olbersdorf zur Welt. Wir wohnten aber in Kammer/Hillersdorf, genau im Tal der Goldoppa, das sich von Olbersdorf zum

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Dies ist mein Bruder Helmut, der die drei kleineren Geschwister im Schlitten ausfährt. In der Mitte das soll ich sein.

Altvater hinaufzog. Hier wuchs ich unbekümmert von allem in familiärem Kreis meiner Eltern und fünf meiner Geschwister auf. Meine beiden ältesten Brüder Albert und Helmut waren bereits in der Lehre und wohnten außerhalb. Ich kann  nur einige bruchstückhafte Erinnerungsfetzen wiedergeben, was ich dort erlebt habe. Vieles steckte im Unterbewußtsein, vieles hat sich vermischt mit Erzählungen meiner Eltern und Geschwister. Vater hat nach der Aussiedlung eine Art Familienchronik angelegt und darin seine eigene Kindheitsgeschichte, sowie der unserer Familie vor und nach der Aussiedlung niedergeschrieben. Helmut hat diese Texte erweitert und vervollständigt. Ich gebe hier also nur ein paar Lichtblicke wieder.

Ja, wir waren eine grosse Familie. Da war immer Leben, da war immer etwas los. Ich war der Zweitjüngste. Nicht gerade das Nesthäkchen, aber doch der Vorletzte in einer gewissen Rangordnung, die ich einzuhalten hatte. Aber gleichzeitig hatte ich genug Vorbilder, genug Große, auf die ich mit Stolz und mit Neid hochgucken konnte. Von denen wurde ich gelegentlich auch,  sozusagen als verlängerter Arm Mutters, miterzogen, manchmal in recht drastischer Weise,wenn ich nicht spurte.

Ich war etwa vier Jahre alt. Ich krabbelte auf einen Stuhl, um auf einer Kommode aus dem Fenster in den Garten schauen zu können, wo gerade meine Schwestern spielten. Meine große Schwester reagierte voll Schreck als sie mich aus dem Fenster lehnen sah – sie hatte die Aufsicht über mich übernommen – und lief zurück in die Wohnung. Aber sie kam bereits zu spät. Ich hatte mich, rückwärts bewegend wieder von der Kommode auf den Stuhl begeben wollen, den ich aber verfehlte und auf den Fußboden sauste. Ich brach mir dabei den Oberarm. Von dem nachfolgendem Ärger, Transport zur Verarztung in das Krankenhaus und ein paar Tage Alleinsein im Krankenhaus bekam ich nicht viel mit. Von der Fahrt nach Hause in einem Omnibus, von dem man hinten einsteigen mußte, weiß ich noch. Es war Winter und kalt, es lag Schnee. Weil ich eben den Winter erwähnte:  Es gab hinter unserem Haus, bei den Nachbarn, einen Hügel, von dem wir dem Hang mit den Schlitten herunterrutschten. Da standen auch ein paar Obstbäume herum. Zu Viert auf dem Schlitten, ich als kleinster vorne postiert, machte besonderen Spaß. Vom Lenken hatte niemand eine Ahnung. Immer nur gerade aus. Es kam so, wie es kommen mußte: Wir wurden durch einen Apfelbaum sehr unsanft und hart gestoppt. Ich als Vorderster, schlug mit meiner Stirn am Stamm auf. Die anderen verschwanden wie der Wind.  Die Nachbarin kam und las mich auf. Blutüberströmt, mit eine klaffenden Stirnwunde.

Franz in der Sandkiste

Es wird behauptet, dass ich das sei. Es muss dann wohl stimmen. Ich spiele hier im Sand. Ein Kleidchen kann auch ganz praktisch sein.

Dann kam der Tag unserer Aussiedlung. Unser Nachbar, der ein Pferdefuhrwerk hatte, – er konnte erst mit einem späteren Transport aussiedeln – brachte uns und unsere Habseligkeiten nach Jägerndorf in ein Sammellager. Jede Person durfte bereits 20 Kg Gepäck mitnehmen. Wir Kinder, außer meinen beiden älteren Brüdern, die ja bei den Soldaten waren, sassen bei dem Gepäck auf dem Pferdefuhrwerk. Meine älteste Schwester wollte von einem herabhängenden Ast ein paar Äpfel abpflücken. Sie passte  nicht auf. Der Ast riss sie vom Fuhrwerk herunter und sie fiel auf die Strasse. Es ist ihr dabei nicht viel passiert. Sie kam mit dem Schrecken davon, auch die Pferde des hinterherfahrenden Fuhrwerks. In Jägerndorf wurden die Züge für den Transport zusammengestellt. 20 Personen in einen Viehwagen. Mein Vater war Waggon-Obmann. Niemand wußte so richtig, wohin es gehen sollte. Meine grossen Geschwister schauten aus der oberen Fensterluke und berichteten. Es verbreitetes sich das Gerücht, es würde in den Westen, nach Bayern gehen. Einmal entdeckten sie das Bahnhofsschild „Praha“. Dann konnten sie sogar den Hradschin erkennen. Eine Begebenheit blieb mir im Gedächtnis: Ich war fünf Jahre alte und hatte gelegentlich noch Probleme, das „sch“ richtig auszusprechen. Als der Zug anfuhr, machte er immer „sch..sch..sch..“ daraus folgte meine Bemerkung oder Erstaunen:“ „Der Zug fährt immer neller..immer neller, immer neller..“ Jeder der Zuhörer lachte sich dabei kaputt. So habe ich schon damals zur Erheiterung Vieler beigetragen. Noch oft haben mir meine Geschwister diese Geschichte erzählt, noch jetzt nach mehr als 50 Jahren.

Dann kamen wir nach Furth im Walde, dem Grenzübergang nach Bayern. Damit waren wir den Amerikanern übergeben. In einer Baracke wurden wir auf unsere Gesundheit untersucht. Mit einer großen Luftpumpe wurden wir „entlaust“. Hoch die Röcke und auf die Hosen, damit wurde weißes Puder hineingeblasen. Es stank fürchterlich, wir sahen aus wie die Schneemänner und unsere Haut kratzte entsetzlich.

Kaserne 

Das war in 1950. Wir wohnten bereits in der Kaserne in der Neustadter Strasse 1. Mein ältester Bruder Albert machte das Foto.

Dann waren wir auf einmal in Coburg. Noch ein Jahr war ich im Kindergarten. Wir spielten einmal die „Vogelhochzeit“ und hatten schöne bunte Kleider an. Dann kam die schöne Schulzeit. Sie plätscherte so vor sich hin. Mehr Ereignisse und Begebenheiten blieben in meinem Gedächtnis. Auf einem Foto seht ihr mich als Fünfklässler in einem Umzug. In Coburg gab es ein alljährlich stattfindendes allgemeines Schulfest. es hieß „Gregorius-Fest“. Alle Schüler mußten antreten, nach Klassen und Schulen sortiert. Jede Schule und Klasse hatte besonders schöne Kleider oder Uniformen, oder auch Transparente zu tragen. Ein besonderer Raim oder Song, der immer wieder wiederholt wurde, war: „Es lebt der Herr von Katzenkopf, mit seiner Frau die hat kein Zopf“. Es war eine Art Schüttelreim mit unendlich vielen Strophen.

Schulfest

 Das ist der Umzug am Gregorius-Schulfest. (Ich bin in der Mitte)

Dann sagte ich auf einmal meiner Familie Adee und zog nach Sankt Wendel um. Aber das tat ich nicht von heute auf morgen, es hatte eine Vorgeschichte. Dieser Ort war irgendwie weit weg von meiner bisherigen Familie und das alles bedeutete für mich das Hinübergehen in einen anderen Lebensabschnitt. —

6 Antworten to “Familie”

  1. Martin Says:

    Hallo Franz,
    habe deine Homepage gleich gefunden und werde sie mir in der nächsten Zeit etwas näher anschauen. Ich finde es ganz toll, dass du dir eine Homepage über dich und dein Leben eingerichtest hast. Du wirst sicherlich viel Spaß und Freude mit der Pflege dieser Seiten haben.
    Schöne Grüße
    Martin

  2. Michael Says:

    Hallo Franz,
    kann mich Martin nur anschließen,
    bin ganz begeistert, und es ist sehr interessant. So genau kenne ich die Famiele meiner Mutter nicht.
    Noch viel Spaß
    Michael

  3. Felicitas Says:

    Hallo Franz,
    ich finde deine Homepage sehr intressant und voll cool ! ich wünsche dir noch viel spass
    deine felicitas

  4. Helga Haubelt-Burba Says:

    Lieber Herr Schneider,
    Habe mich sehr gefreut Ihre Homepage zu finden. Bin von meiner Vaters Seite her aus Heinzendorf bei Olbersdorf und da interessiert mich Ihre Familien Geschichte sehr. Werde jetzt gleich noch alles andere lesen. Alles Gute,
    Helga H.

  5. spatzelvidleisse Says:

    Hallo Franz,
    Da wird mal von dir geredet und schon guckt man mal auf deiner Homepage und liest sich fest.
    Vor allem jetzt wo du vieles geschrieben hast und komplett ist kann man kaum aufhören zu lesen.
    Schön das du dir eine Homepage gemacht hast!!

    Dein David

    1. Franzl Says:

      Hallo David, schön, dass Du mir geschrieben hast. Freut mich! Aber leider kann ich Dir erst jetzt antworten. Mit meiner page stimmte etwas nicht und ich kam nicht dahinter. Ich habe immer das vekehrte Passwort eingetippt. Kann dann ja auch wirklich nicht klappen. Dann habe ich aber eine neue Page aufgemacht, die sich „afrikaerinnerungen“ nennt. Da schreibe ich jetzt aktuelle Sachen hinein. Herzlichen Gruß vom Franz

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