Heute mächte ich über einige kulturelle Erlebnisse aus meiner Zeit in Tamale und Yendi berichten. Ich habe das alles aus meiner Erinnerung herausgegraben und gebe es so wieder, wie ich es erlebt habe. Aufhänger sind dabei die Fotos, die ich damals gemacht habe. Um sie  zu sehen, klicken Sie dafür einfach in das Webalbum.

Kult-Feste Ghana-Nord

 

Ich bin kein Völkerkundler. Es sind einfach einige Grundkenntnisse die ich mir erworben habe und die man so im Laufe der Zeit mitbekommt durch Sehen, Erleben und Nachfragen. Das ist lange noch nicht alles, was man zu diesen Themen schreiben könnte. Es erhebt nicht den Anspruch der Vollständigkeit.

Das Outdooring.

 Das Wort Outdoor ist Englisch und besagt: Außerhalb, vor der Tür. Durch die Tür nach außen gehen und dort etwas tun. Draußen, nach draußen. Hier geht es um ein neugeborenes Baby. Es wird nach draußen gebracht, in die Öffentlichkeit, in die Dorfgemeinschaft. Nach der familiären Zurückgezogenheit von Mutter und Kind wird es wieder der Öffentlichkeit gegeben. Das findet statt in einer Familien-Dorffeier. Mir ist nicht bekannt, dass damit auch ein bestimmter Ritus aus der Tradition des Stammes stattfindet. Das Beispiel von Nanchem bei den Kombas ist ein Beispiel, wie eine christliche Gemeinde diese Tradition aufgreift als Gelegenheit der Versammlung und zum Gebet, um den Segen des Himmels auf  Mutter und Baby herabzurufen. Freunde und Bekannte, ja oft die ganze Dorfgemeinschaft kommen zusammen. Sie bringen Geschenke, auch Geldspenden. Die gastgebende Familie bereitet ein Essen und richtet Getränke her. Es muß Brennholz zum Kochen besorgt werden. Wenn die Familie Eigentümer von Bäumen ist, schlagen sie oft einen ganzen Baum für Feuerholz. Es ist klar, dass Mutter und das Baby die besten Kleider tragen. Die Besucher dürfen Baby und Mutter im Haus der Frau besuchen.  Stolz zeigt die Frau die Schätze des Haushaltes. Schränke, gefüllt mit Haurat wie  Geschirr, alle Grössen von Töpfen, oder auch den Fernseher. Fotos werden gemacht. – In der Außenstation der Chereponi-Mission Nanchem besuchte die ganze Gottesdienstgemeinde nach der Sonntagmesse zusammen mit dem Missionar den Sohn des Katechisten Paul. Das war eine schöne Sache. Man traf sich vor dem Compaund, wurde vom Hausherrn begrüßt und ging gemeinsam in das Gehöft. Wir scharten uns um das junge Paar, gratulierten, wechselte die besten Wünsche und betete dann gemeinsam. Der Missionar spendet den kirchlichen Segen. Jetzt mußte der Hausherr ein Mahl anbieten. Wir hielten auch eine kleine Kollekte für das junge Paar. – Outdooring ist aber nicht zu verwechseln mit der sakramentalen Taufe. – Es gibt keine bestimmt festgelegte Zeit für das Outdooring. Die ersten Wochen nach der Geburt des Babys bis etwa zwei Jahre.

 

Einführung eines Chief in Tampe Kukuo (Tamale)

 

a) Bau des neuen Compaund und Pflastern des Innenhofes.

Der alte Chief von Tampe Kukuo war gestorben. Ich erinnere mich daran, dass wir im Jahre 1998 einen Höflichkeitsbesuch bei ihm machten. Er saß auf einem Ziegenfell als Zeichen von Amt und Würde. Er bekam eine grosse Beerdigung. Die Ältesten des Dorfes gingen nun an die Suche nach einem neuen Chief. Er sollte auf jeden Fall aus einem anderen Dorf kommen. Man mußte ihm nun eine neue Unterkunft bauen. Da die Baustelle am Anfang des Dorfes und noch dazu an der Hauptstrasse lag, konnte ich die Fortschritte täglich beobachten. Die Bauweise war bewußt traditionell. Wände aus Gravel/Lehm, alle Hütten auf einer Kreislinie als Rundhäuser, die Wände Gravel/Zement und die Dächer mit Stroh gedeckt. Das Pflastern des Innenhofes, wo ja das tägliche Leben stattfindet, ist hier im Norden Sache der Frauen. Hier haben Männer nichts zu suchen. Mich als Fotograph und noch dazu als Weißer, haben sie freundlicherweise akzeptiert. Es war ein riesiges Spektakel. Nebenan wurde eine Grube ausgehoben und nach Gravel gegraben. Andere Frauen brachten in grossen Eimern und Schüsseln Wasser herbei. Von Hand wurde beides vermischt. Andere Frauen brachten den Mörtel in den Innenhof, wo man ihn gleichmässig auf die ganze Fläche verteilte. In der Mitte versenkte man grosse Steine für die Feuerstelle. Zuerst wurde der Mörtel nur mit den Füssen in den Boden gestampft. Dann benutzen sie Schlaghölzer, die abgewinkelt  und am unteren Teil abgeflacht waren. Mit der flachen Seite schlugen sie nun den Lehm fest. Das mußte in einem Dreier-Rythmus geschehen, d.h. drei Gruppen schlugen jeweils in einem abwechselnden Takt. Dazu wurden von Männern Trommeln geschlagen. Das hörte sich furchtbar interessant an. Dazu wurden dann auch noch Lieder angestimmt. Es war ein richtiges Spektakel. Kinder liefen herum und hatten ihre Spaß dabei. Jeder gestikulierte herum und machte Spektakel. Jeder hatte seinen Spaß , besonders aber ich.

 

b) Die Einführungs-Feierlichkeiten.

 

Nun war das Haus bezugsfertig. Mir ist nicht bekannt, ob der Chief und seine Familie bereits vorher ihr Hab und Gut ins neue Haus gebracht haben und sie es damit bereits provisorisch bewohnt hatten. Es ist jedenfalls anzunehmen. Nun folgte die feierliche Inbesitznahme und die feierliche Einführung als Oberhaupt des Dorfes. Das läuft nach einem bestimmten, alten Ritus ab. Die Leute treffen sich vor dem Dorf. Hier spielen selbstverständlich die Männer wieder die grössere Rolle. Da sind Männer mit Gewehren und uralten Büchsen. Sie müssen später Salut schießen. Die Trommler mit Trommeln, die am Bauch getragen werden und kleineren Trommeln, die unter den Arm geklemmt und mit besonderen Stöcken geschlagen werden. Dann die Dorf-Ältesten in traditionellen handgewebtem Smouk, der in Falten bis fast auf die Knie herunterhängt und Mützen auf dem Kopf. Nun besteigt der Chief das Pferd. Es ist besondes festlich geschmückt und mit einem bequemen Sattel versehen. Die Sonne scheint kräftig. Ein großer Schirm bringt dem Chief den notwendigen Schatten. Der Schirm ist aber auch Zeichen von Amt und Würde. Nun setzt sich der Zug in Bewegung. Da wir Trockenzeit haben, steigt eine Staubwolke auf, während sich die Leute vorwärtsbewegen. Von der Strasse aus biegt jetzt der Zug zum neuen Compaund ein. Vor der Empfangshalle steigt der Chief vom Pferde ab und schreitet nun durch die Tür in seinen Palast ein. Dort setzt er sich auf seinen Skin, d.h. auf ein Schafs- oder Ziegenfell, was wiederum Ausdruck von Amt und Würde ist. Es werden jetzt wohl Reden gehalten, wie Begrüssung des Chiefs durch den amtierenden Vertreter und dann die Antrittsrede des Chiefs. Währenddessen haben die Familie und Helfer im Innenhof an verschiedenen Kochstellen das Essen zubereitet. Es wird dazu das traditionell hausgebraute Hirsebier- Pito- gereicht. Möglicherweise wurde auch, bevor der Chief sein Haus betritt, Wasser, Pito oder Schnaps aus einer Kalabasche auf den Boden geschüttet und einige Wünsche, Sprüche oder Gebete gesprochen. Auch dies ist alte Tradition beim Besitznehmen von Grund,  Boden oder Haus. Es ist klar, das noch bis in die späten Abendstunden hinein gefeiert wird.-

Gut wäre es, wenn ich jetzt noch etwas über die kulturelle Position eines Chief in der Ghanaischen Gesellschaft berichten würde. Nach wie vor hat der Chief eine starke öffentliche Position, die mitunter die Politik beeinflußt.

 

Fire-Festival

Da ist eine Geschichte, die wohl weit in die Vergangenheit von Ghana zurückgeht. Ob historisch oder nur eine Sage, weis wohl keiner zu beantworten. Jedenfalls feiern die Leute diese Geschichte fast in jedem Dorf. In Tamale gab es bis zu fünf  Umzüge in verschiedenen Stadtteilen. In Kürze nun diese Geschichte:  Es war einmal ein Fürst oder König, der hatte ein Töchterlein, das er über alles liebte. Es war auch seine Einzige. Aus irgendwelchen Gründen verlief sie sich außerhalb des Dorfes bei einem Spaziergang  und konnte nicht mehr zurückfinden. In ihrer Verweiflng setzte sie sich unter einen großen Baum und wollte sterben. Inzwischen vermißte der König seine Tochter. Er setzte sich selbst an die Spitze einer Suchtruppe. Nach langem verzweifeltem Suchen fanden sie die Tochter, verzweifelt unter einem grossen Baum sitzen. Die Freude des Wiedersehens war groß. So zogen sie wieder nach Hause. Die ganze Stadt nahm Teil an dieser Freude. Und die ganze Stadt feierte ein grosses Fest. – Das Andenken an dieses Ereignis wird in jedem Jahr in jedem Dorf gefeiert. Das sieht etwa so aus. Mit Andbruch der Dunkelheit trifft man sich auf dem Dorfplatz. Es ist in der Hauptsache ein Fest für Kinder und Jugendliche. Viele Kinder haben ihre Gesichter und Körper dabei mit weißer Farbe angemalt.  Sie tragen Bündel von Elefantengras in ihren Händen, oben mit einem Stück Stoff versehen, getränkt mit Kerosin. Diese Fackel wird an einem grossen Feuer angezündet. Vorsicht! Offenes Feuer inmitten von grasgedeckten Häusern. Es gehen aber auch Erwachsenen mit. Nun ziehen sie in einer Prozession mit diesen brennenden Fackeln in ihren Händen vor das Dorf, umrunden dabei einen grossen Boab-Baum und kehren wieder in das Dorf zurück. Dort gibt es Süssigkeit und Getränke für die Kinder. –

Meine persönliche Erfahrung mit diesem Fest ging aber weiter.

Kaum zurück vom Fest, klopfte es stürmisch an meiner Tür. Eine Gruppe von Leuten erzählte mir aufgeregt, dass bei dem Fest einem Mädchen ein grosser Stein auf den Fuß gefallen sei und ich wurde gebeten, sie zum Hospital in Tamale zur Behandlung zu fahren. Jemanden vom Dorf in das Hospital zu fahren, war für mich nichts besonderes, man hatte mich bereits öfters gebeten, weil wir  ja ein Auto hatten. Jetzt, heute Abend noch, mußte das sein? Heute würde ich sagen, ich war wohl naiv. Man erzählte mir zwar, dass wir möglicherweise Probleme wegen der Umzüge bekommen könnten. Aber man spielte diese Probleme herunter. Gut, wir fuhren. Schließlich sollte dem Mädchen ja schnell geholfen werden. Am Hilltop bei der Einfahrt nach Tamale kamen bereits die Malesse. Wir gerieten mitten in einen Zug. Er kam uns entgegen, und wir konnten nicht ausweichen. Die  Menge zog an uns vorbei. Meine Insassen konnten den Leuten draußen klar machen, dass wir auf dem Wege ins Hospital waren und eine Verletzte im Auto hatten. Es war mir nicht mehr egal. Würden angedrunkene Randalierer mit Knüppel und Steinen auf uns werfen? Nach gut einer halben Stunde konnten wir, Gott sei Danke, ungeschoren weiter fahren. Man sagte uns, wir sollen besser einen Umweg fahren, denn noch andere Umzüge seien in der Stadt unterwegs. Wir taten es. Als wir die doppelspurigen Strasse erreicht hatten, die aus der Stadt heraus zum Hospital führt, wollten wir schon aufatmen. Aber da sahen wir die nächste Malesse. Vor uns zog gemütlich ein anderer Umzug her, der sich Zeit ließ. Wir konnten ihn unmöglich überholen. Genervt, aber froh, überlebt zu haben, erreichten wir das Hospital und lieferten das Mädchen an der Notaufnahme ab. Die Heimfahrt gestaltete sich dann weniger problemlos. – Am nächsten Tag gab man mir dann Report, dass das Mädchen erst am Tage danach behandelt wurde. Es sei in der vergangenen Nacht kein Arzt im Krankenhaus anwesend gewesen.  – Ironie des Schicksals: Das ganze nächtliche Abenteuer war für die Katz!

 

Kokomba – Tänzer.

 

Ein Besuch bei der Männer-Tanzgruppe von Bimbila.

Gelegenlich kamen auch Besuchergruppen zu uns, die sich über kirchliche Projekte oder missionrische Pastoral interessierten. Im August 1999 wohnte für ein par Tage eine Gruppe aus Deutschland bei uns im Seminar. Sie hatte bereits ein Treffen mit dem neuen Bischof von Yendi, Vincent Boi-Nai arrangiert. So begleitete ich die Gruppe für ein paar Tage nach Yendi und Bimbila. In Yendi hatte die Gruppe ein Gespräch mit dem neuen Bischof  geplant. Auch ein Besuch beim Ya-Na, dem König der Dagombas stand auf dem Programm (später werde ich darüber berichten). Zuerst wurden wir eingeladen, nach Makayilli, auf halbem Weg nach Bimbila zu kommen. Dieser Ort ist eine Außenstation von Bimbila mit einer recht bewegenden katholischen Gemeinde. Der damalige Pfarrer von Bimbila Pater Eugen, ein einheimischer Priester vom Stamm der Dagati war zuständig für diese Gemeinde. Diese Gemeinde ist bekannt geworden durch eine Gruppe von Tänzern, die traditionelle Männertänze der Kokombas darbietet. Sie sind auch bei der Weihe des Bischofs von Yendi im Juli 1999 aufgetreten und sind damit  sehr bekannt geworden. Im Grunde genommen war es ein Fest der Begenung mit den Mitgliedern dieser Gemeinde. Am Ort der Darbietungen, an der Kirche der katholischen Gemeinde, versammelten wir uns. Zuerst wurden Begrüßungsreden gehalten. Auch der Bischof sagt einige Worte zu den Leuten. Dann konnte sich jeder von uns noch persönlich vorstellen. Dann wurden erst einmal Getränke gereicht. Das traditionelle selbstgebraute Bier „Pito“ durfte nicht fehlen. Nun trat die Tanzgruppe auf. Die Männer hatten T-Shirts und knielange weiße Röcke an. auf dem Kopf trugen sie Kalabaschen, die mit kleinen Flußmuscheln verziert waren, um den Hals trugen sie lange Muschelketten. Auf den Kalabaschen waren Antilopen-Geweihe befestigt (Früher war die Antilope heimisch in dieser Gegend, ist aber ausgestorben, weil sie zu viel gejagt wurden). An den Füssen trugen sie kleine Schellen (Glocken) die an Lederriemen befestigt waren und um das untere Bein gebunden wurden. Bei jedem Schritt erklangen diese kleinen Glöcken und gaben ein Schellengerassel von sich. In den Händen hielten sie Glocken (wie Kuhglocken, die entweder einen kleinen Klöppel hatten oder mit einem Holzstock geschlagen wurden). Die Tanzschritte mußten nun in einem bestimmten Schrittmuster gesetzt werden, wobei die Beinarbeit besonders wichtig war. Denn hier entstand nun, durch das Aufstampfen der Füsse, der typische Rythmus des Tanzes. Auch ein Trommler schlug den Takt. Durch das Geräusch der Fußglöckchen, der Kuhschellen in den Händen und die Schläge des Trommlers war nun eine bestimmte Melodie und ein Rythmus zu hören, für unsere europäischen Ohren sehr exotisch. Kam noch die Vorwärtsbewegungen und die Kreisbewegungen der Tänzer hinzu. Das war wirklich ein einmaliger Kunstgenuß. Nach Beendigung der Tanzvorführungen gabe es noch für alle ein Essen, das aus Curryreis, Guinea-Hühnchen und einer Soße bestand. Herzlich war auch der Austausch von Geschenken, der beim Feiern solcher Begenungen einfach üblich ist.

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